Dienstag, 18. März 2008

Alles ist Eins

Einmal, am Rande des Hains,
stehn wir beisammen
und sind festlich wie Flammen,
fühlen: alles ist Eins

Halten uns fest umfasst,
werden im lauschenden Lande
durch die weichen Gewande
wachsen, wie Ast an Ast

Wiegt ein erwachender Hauch
die Dolden des Oleanders -
sieh, wie sind nicht mehr anders
und wir wiegen uns auch.

Meine Seele spürt,
dass wir am Tore tasten
und sie fragt dich im Rasten:
hast du mich hergeführt?

Und du lächelst darauf,
so herrlich und heiter
und, bald wandern wir weiter
Tore gehn auf.

Und wir sind nicht mehr zag,
unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein,
aus dem vergangenen Tag.

Alles ist Eins.
Alles ist Eins.

Rainer Maria Rilke

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
shanti77 hat gesagt…

man erkennt ja immer nur das, was man auch in der Lage ist zu sehen.... und mit diesem Gedanken im Kopf finde ich das sehr bemerkenswert. auch, weil wir Rilke in der Schule gelesen haben. Vielleicht sogar dieses Gedicht? Vielleicht waren es aber auch andere. Vielleicht hat aber damals auch einfach niemand wirklich verstanden, was er sah.